Bislang dachte ich immer noch, dass die Frage ob vertikale oder horizontale Videoformate eine rein persönliche Anschauung ist. Doch zwischenzeitlich bin ich da nicht mehr so ganz sicher.
Unser Sehverhalten ist eher dem Querformat angepasst
Grundsätzlich ist unser Sehverhalten ja doch eher horizontal geprägt. Zwei Augen nehmen ein breites Spektrum an Eindrücken auf, die unser Gehirn auch so verarbeitet. Haltet euch nur mal ein Auge zu und es irritiert sehr. Unsere TV-Geräte sind auch genau auf dieses Sehverhalten abgestimmt und so nutzen wir seit wir denken können querformatige Fernsehgeräte. Unsere Computermonitore sind zwischenzeitlich auch von quadratisch auf großflächige Querformate umgestaltet worden.
Das Smartphone hat unser Sehverhalten verändert
Alleine unsere Smartphones – ursprünglich als Telefon vorgesehen – arbeiten grundsätzlich im Hochformat. Doch wie froh waren wir, als sie endlich lernten, das Bild automatisch anzupassen, wenn wir beim Ansehen von Fotos, das Handy quer hielten. Durch immer größere Displays und die bessere – einhändige – Handhabung haben sich jedoch immer mehr Hochformat-Fotos und Videos durchgesetzt.
Jeder, der einfach mal so ein Foto machen, oder ein Video aufnehmen will, rein für den privaten Gebrauch, macht sich keine Gedanken darüber, das Handy quer zu halten, sondern knipst einfach mal drauflos, so wie das Smartphone eben am besten in der Hand liegt.
Nun – in den Kreisen der Mobile-Journalisten war es bislang Gesetz, Fotos und Videos für journalistische Zwecke ausschließlich im Querformat aufzunehmen. Eine Regel, die ich bei meinem Kurs 2012 regelrecht eingetrichtert bekam.
Und sogar Foto- und Videoplattformen und -Netzwerke, die vertikal oder mit quadratischen Formaten an den Start gingen haben nachgebessert. Und wie glücklich waren wir alle, als Periscope und Instagram, um nur zwei zu nennen, endlich auch den „landscape-modus“, also das Querformat eingeführt haben.
Nachdem durch die Entwicklung und die entsprechende Nutzung von allen Usern, das Thema „User generated content“ – also User werden in die journalistische Arbeit mit einbezogen und bieten ebenfalls Inhalte an – immer wichtiger wurde, brachte das auch viele Vertikal-Videos mit sich.
Vertikal oder horizontal – was setzt sich durch
Mittlerweile ist es fast schon eine Philosophie und auch ein wenig Wettkampf – ob vertikal- oder horizontal-Video das wirklich wahre und zukunftsträchtige Format ist.
So, wie der Machtkampf der Autofahrer zwischen BMW und Mercedes und im anderen Bereich noch heftiger zwischen IOS- und Android-Nutzern, ist derzeit der Fight zwischen den Vertikal-Video-Produzenten und den Filmemachern, die querformatige Videos und Fotos bevorzugen zu beobachten.
Wer sich durchsetzen, lässt sich im Moment noch nicht sagen, ebenso wenig, ob es sich die Waage halten wird. Tatsache ist jedoch, dass bereits erste Medienanbieter spezielle Formate für Hochformat-Videos veröffentlichen.
Ein Beispiel ist das Norwegische Fernsehen, NRK, das eine ganz Dokumentation vertikal umgesetzt hat. How the Norwegian Broadcasting (NRK) made it’s first vertical documentary film
Dass Vertikal-Videos nicht außer Acht zu lassen sind zeigt auch eine neue Plattform namens Vervid. Sie ist quasi das Youtube für Hochformatvideos. Eine Beschreibung dieser Plattform findet ihr hier.
Ich persönlich werde sicher gut prüfen, welches Format zu welcher Geschichte passt. Wie geht es euch damit und wie setzt ihr es um?
Und hier nochmal der Artikel als Audio-Podcast
Ich bleib beim Querformat. Und übrigens: Hochkant ist beim Schreiner oder Tischler, Hochformat wäre zum Medium passender :-)
Aber danke – ich habe ähnliche Überlegungen – und was passiert bei 360 Grad?
Danke lieber Matthias,
derzeit hab ich noch einige andere Themen, daher warte ich mit 360 Grad noch etwas ab, ich denke, da wird sich in nächster Zeit noch einiges entwickeln.
P.S: ein klein wenig Umgangssprache gönn ich mir hin- und wieder, aber ich hab Deinen Einwand dankend aufgenommen und geändert ;-)
Viele Grüße Heike
Persönlich finde ich auch, dass Hochkantvideos „beschränkt“ sind. Ich würde oft gerne nach rechts und links gucken. Ich spreche da vom Schlüssellocheffekt. Zudem wird oft nicht das ganz Hochkantvideo mit Inhalten gefüllt, wo sich interessantes abspielt. Meist findet die „Action“ nur in der oberen Hälfte statt.
Ich bin aber mit Jahren von Breitbildproduktionen auch vorbelastet. Das Argument, man sollte die Zuschauer so erreichen, wie sie die Inhalte konsumieren wollen, ist nicht von der Hand zu weisen. Wer Mobilfon Nutzer erreichen will, sollte vielleicht hochkant produzieren.
Aus meiner Sicht ist die Diskussion aber bald überholt. Aus 2 Gründen:
1) Smartphones sind als Masseninterface ein Übergangsphänomen. Schon bald werden sie Konkurrenz von Wearables, Brillen oder anderen Darstellungstools bekommen.
2) 360° Video und Photos werden einen größeren Teil des Bildmarktes einnehmen.
Dort werden andere Kriterien wichtig: Dort wird der Inhalt die Darstellungsform bestimmen.
Es ist kein entweder oder. Die richtige Frage lautet aus meiner Sicht nicht ob, sondern wann und für wen Hochformat sinnvoll ist. Und auch Hochformat lässt sich sinnvoll weiter verwenden, es braucht halt ein wenig mehr Arbeit.
Die Diskussion für oder gegen Hochformat ist für mich – sorry für die Formulierung – Zeiverschwendung. Da experimentiere ich lieber damit und setze es sinnvoll ein, statt theoretisch zu diskutieren. ;-)
Dankeschön – spannende Argumente, die auch Hoffnung machen, dass wir unser gewohntes Sehverhalten doch behalten dürfen ;-). Ich denke, dass dem User eigentlich egal ist, ob er vertikale oder horizontale Videos konsumiert und beim Produzieren ist es die Einfachheit, das Teilchen mal so hochzuhalten, wie es immer in der Hand liegt.
Vielen Dank lieber Christian, Du hast dann ja sicher auch beim Lesen des Artikels bemerkt, dass das genau auch so meine These ist, wenngleich mir persönlich das Betrachten horizontaler Videos mehr zusagt. ;-).
Na, der Artikel liest sich schon eher nach Ablehnung bzw, stellt Hochformat als Ausnahme dar. Und das ist es längst nicht mehr.
Ich denke, es wird schon klar, dass hochformatige Videos immer salonfähiger werden und dass ich von Fall zu Fall prüfe, in und mit welchem Format eine Geschichte am besten erzählt werden kann. Es gibt ja auch einige Beispiele, die erklären, dass es eindeutig auch eine ganz persönliche Empfindung ist. Die sich durch die weitere Entwicklung, die unaufhaltsam auf uns zukommt wieder komplett neu ausrichten kann und sicher sogar wird.
Es widerstrebt mir, wenn ich Videos – die im vertikalen Format aufgenommen wurden – auf einem 16:9-Bildschirm anschaue. Zum Beispiel bei Videosequenzen, die einem Fernsehsender von Privatpersonen zur Verfügung gestellt wurden. Der visuelle Informationsgehalt ist im horizontalen Format viel höher und entspricht viel besser unserem beidäugigen Sehverhalten.
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Da gebe ich Dir Recht. Als ich den Artikel vor zwischenzeitlich schon 7 Jahren verfasst habe, war ich auch noch zu 100 % Pro 16:9 – eben mit der Argumentation – 2 Augen – also auch breites Bild. Nun haben wir die Sehgewohnheiten nicht selbst in der Hand, der Nutzer, die Nutzerin entscheiden und durch die Smartphone-Screens hat sich das Format 9:16 eingebürgert. Es gibt viele negativ-Kommentare, wenn man ein Querformat-Video für 9:16 nutzt. Da heißt es – der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler und sich darauf einlassen. Ich bin dafür, beiden Formaten eine Chance zu geben. Das bewährte 9:16 hat weiterhin Bestand, gerade im Hochglanz-Bereich. Aber auch die schnellebigen und sehr dynamisch geschnitten 9:16-Formate haben ihren Reiz. Ich persönlich habe meinen Frieden gemacht mit Hochformat-Videos und proudziere in beiden Formaten. In der Tat müssen Videos im Hochformat aber auch anders konzipiert und angelegt werden.